Mario Birkholz

Bioelektronik

Die ursprünglichen grundverschiedenen Disziplinen der Mikroelektronik und Molekularbiologie operieren heute beide auf den gleichen Längenskalen von Mikrometern und Nanometern. Zusehends machen sie auch von den gleichen Werkzeugen Gebrauch. Auf dem immer größer werdenden Überlapp beider Gebiete – der Bioelektronik – ergeben sich ganz neue Ansätze für die Bio- und Informationstechnologie [MBKonvergenz]. Schon heute werden Systeme wie Herzschrittmacher, Cochlea-Implantate, Gehirnstimulatoren für Parkinson-Patienten usw. als elektronische Prothesen im menschlichen Körper eingesetzt. Und auch als Armband genutzte Wearables entwickeln sich als Teil des medizinischen Internet-of-Things (IoT) zu Monitoren für die Gesundheitsdaten des Trägers.

Gerade für Gesundheitsdaten müssen hohe Standards für Datensicherheit und Datenschutz bestehen. Doch leider zeichnet sich für einen großen Bereich digitaler Technologie die bedenkliche Situation ab, dass die Privatsphäre im Internet nur selten gewährleistet ist. Vielfach fließen Daten der Nutzer:innen in großem Umfang ab, um Persönlichkeitsprofile daraus abzuleiten und unser Konsumverhaltens zu steuern. Deshalb müssen schon heute die Grundlagen gelegt werden, dass morgen die großartigen Möglichkeiten der Bioelektronik verantwortungsvoll genutzt werden [II.3].

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Gebietes wurde von der TU Berlin und dem IHP das Joint Lab Bioelectronics gegründet. Ziel des Labors ist es, durch gemeinsame Projekte und Untersuchungen die Vorteile der Mikroelektronik in der Biotechnologie zu nutzen. Darüber hinaus sollen Studierende aus den Lebenswissenschaften frühzeitig lernen, den mikroelektronischen Werkzeugkasten einzusetzen, wozu verschiedene Lehrveranstaltungen durchgeführt werden (siehe Lehre). Den aktuellen Entwicklungen am JLB kann man über Mastodon folgen: mastodon.social/@JLBe.

Glucose-Sensor

Eine wesentliche Dynamik für die Konvergenz von Mikroelektronik und Biotechnologie leitet sich aus dem Bereich der biomolekularen Sensorik ab und ist auf den großen Kostendruck im Gesundheitssektor zurückzuführen. Hier können die effizienten Techniken, die die Mikroelektronik ermöglicht, zur Analytik verschiedener menschlicher Stoffwechselprodukte beitragen, die für die Gesundheit des Patienten von Bedeutung sind und regelmäßig überwacht werden müssen.

Einer der wichtigsten Stoffwechselprodukte im menschlichen Körper ist Glukose, die die chemische Energie liefert, wie sie für praktisch alle Lebensbereiche benötigt wird. Ihr Transport in die Zellen erfolgt über ein insulingesteuertes Glucose-Transportprotein.Im Falle eines Insulinmangels, wie er bei Diabetikern auftritt, kann der erhöhte Glukosespiegel im Blut schwerwiegende gesundheitliche Folgeschäden verursachen. Es wäre sehr wünschenswert, über einen kontinuierlichen Glukosemonitor zu verfügen, der als Implantat im Patienten wirkt, um Hypo- und Hyperglykämiezustände zu vermeiden oder zu reduzieren.

At IHP in Frankfurt/Oder we are developing a minimally invasive glucose sensor, by which diabetics may continuously control the glucose concentration [61Der Sensor basiert auf dem Prinzip der Affinitätsviskosimetrie und macht von der Bindungskonkurrenz Gebrauch zwischen einem Pflanzenprotein (concanavalin A) und einem Saccharid, d. h. Glukose oder Dextran. Zu diesem Zweck wird eine sensorische Flüssigkeit, die ConA und Dextran enthält, in einen Hohlraum gefüllt und interagiert über eine semipermeable Membran mit dem interstitiellen Gewebe. Die Veränderung der Glukosekonzentration in letzterem bewirkt eine Veränderung der Viskosität der sensorischen Flüssigkeit, die von einem flexiblen Cantilever in der Kavität detektiert wird; eine schematische Darstellung des Sensorprinzips ist in der Abbildung zu sehen. Durch moderne Mikroelektronik [56, 58] und Mikrosystemtechnologie [53] kann die Sensoreinheit auf ein Volumen von nur wenigen Kubikmillimetern miniaturisiert werden und somit über einen Zeitraum von einigen Tagen am menschlichen Körper angebracht werden.

Hybride Systeme

Hybrid materials from both worlds – the biomolecular and the semiconductor one – will become an important branch in future material science. Their today applications are mainly in the area of biomolecular sensing. In a first approach MEMS , also mikroelektromechanische Systeme entwickelt werden, die die Technik biochemischer Assays mit dem Miniaturiserungspotential der Halbleitertechnologiekombinieren. Für solche Systeme können verschiedene Sensorprinzipien wie die gravimetrische Detektion über akustische Oberflächenwellen genutzt werden. In einem zweiten Schritt wird die Konvergenz von Biomolekülen und Halbleitern in voll CMOS-integrierten Bauelementen die Realisierung von Sensoren und bioelektronischen Schaltungen mit völlig neuen Funktionalitäten ermöglichen.

Im Hinblick auf die grundlegende Physik zukünftiger bioelektronischer Bauelemente ist es offensichtlich, dass die Schnittstelle zwischen Biomolekülen und Halbleitern die größte Herausforderung für eine Konvergenz beider Materialwelten darstellt. Offene Fragen betreffen die Übertragung von Informationen über die Grenzfläche oder die lokale Kontrolle der biomolekularen Bindung. Aus Sicht der Strukturforschung ist die Perspektive von Interesse, wie das Nanotemplating von Halbleiteroberflächen eine lokale Kontrolle biomolekularer Bindungen ermöglichen könnte. Eine solche Technik würde den Weg für biophysikalische und andere Untersuchungen der molekularen Wechselwirkung zwischen aktiven biologischen Spezies wie Proteinen und ihren Liganden öffnen. Diese Fragen stehen derzeit im Fokus der modernen Lebenswissenschaften, nachdem durch die Sequenzierung des menschlichen und anderer Genome die Schaltzentralen der eukariotischen Zellen entschlüsselt wurden und es zu klären gilt, wie die Mechanik der Zelle im Detail funktioniert. Mit der zur Verfügung stehenden modernen CMOS Halbleitertechnologie [65].

Erste Untersuchungen haben mit der derzeit verfügbaren 130nm Technologie des IHP begonnen. Als Beispiel zeigt die Abbildung eine AFM-gemessene Nanometer-Topographie, die in Standard-Si-Wafer eingeschrieben werden [44] und die als Nanotemplate für nachfolgende Immobilisierungsprotokolle dienen kann.

[Die Zahlen in eckigen Klammern] stehen immer für die Nummern in der Publikationsliste